magdas Hotel
magdas Hotel thematisiert in der Ausstellung 2051: Smart Life in the City das Hotel der Zukunft. Ariane Gollia, die Sales Managerin des Hotels, hat sich mit Anna zu einem Gespräch getroffen und ihr mehr über das Hotel und seine Besonderheiten verraten.

Der Eingangsbereich: Links geht es zur Rezeption und in die Cafélounge, rechts hinauf zu den Zimmern. Mieträder stehen auch zum Ausleihen bereit. (cc) die Kulturvermittlung
Anna: Woher kommt der Name magdas Hotel?
Ariane: Schlicht und einfach von ich „mag das“.
Anna: Was ist das Besondere an eurem Hotel?
Ariane: Wir sind das einzige Hotel in Österreich, das gezielt Menschen mit Fluchthintergrund eine Arbeit gibt. Hinter dieser Idee steckt die Innovationsabteilung der Caritas. Die Caritas hat lange überlegt, wie man Menschen, die geflüchtet sind in Österreich ein Chance bieten kann und so sind sie eben auf die Idee eines sozialen Hotels gekommen. Gerade im Tourismus macht das Sinn, wo Gastfreundschaft, Multikulturalität und Sprachenvielfalt von oberster Bedeutung sind. Auch setzen wir auf Interdisziplinarität. Nicht alle, die in magdas Hotel angestellt sind, haben davor im Tourismus gearbeitet.
Anna: Ich habe gelesen, dass bei euch Menschen arbeiten, von denen der Asylantrag noch nicht bewilligt wurde, stimmt das?
Ariane: Das war zwar kurzzeitig angedacht, aber da man die rechtliche Lage nicht umgehen kann, stimmt das nicht. Nur wenn der Asylantrag bereits bewilligt wurde, darf man in magdas Hotel arbeiten. Ursprünglich war auch geplant, nur Menschen mit Fluchthintergrund einzustellen, die unter 25 Jahren sind. Denn unter 25 Jahren darf man eine Lehrausbildung machen, auch wenn man sich noch im Asylverfahren befindet. Das ist zwar jetzt nicht der Fall, aber wir haben diese Möglichkeit der Lehrausbildung in Zukunft für Mitarbeiter des Hotels. Auch für die 25 Jungen, welche bei uns im Hotel in zwei WGs eingemietet sind und ohne Ihre Familien (sog. UmFs: unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) nach Österreich geflüchtet sind, wird es diese Möglichkeit der Lehre geben.
Anna: Wodurch unterscheidet ihr euch noch von anderen Hotels?
Ariane: Wir unterscheiden uns definitiv auch mit unserer Einrichtung von anderen Hotels. Uns war Individualität und der Einbezug der ÖsterreicherInnen sehr wichtig. Einige Möbel aus dem ehemaligen Seniorenheim, das vor magdas Hotel im Gebäude vorzufinden war, gaben wir eine zweite Chance. Schränke wurden zu Schreibtischen und Badewannen zu Blumenbeeten. Die Tische im Loungebereich wurden ebenfalls upgecycelt. Davor waren sie Schreibtische der New Design University in St. Pölten. Und die Lampenschirme wurden von einem Strick- und Häkelkränzchen, das von Menschen aus der Nachbarschaft gegründet wurde, gefertigt. Noch immer trifft sich das Kränzchen jeden Mittwoch und Samstag zum Handarbeiten in magdas Hotel.
Wir versuchen außerdem, die Wiener Community durch Events stark einzubinden. Im Sommer findet monatlich die Markterei bei uns statt. Das ist ein Markt mit lokalen Anbietern von Ess- und Trinkbarem, der die WienerInnen ins Hotel bringen will und damit den Austausch zwischen Einheimischen und TouristInnen fördern möchte.

Im Nachbarschaftsgarten: Badewannen des ehemaligen Seniorenheimes wurden zu Blumenbeeten umfunktioniert. (cc) die Kulturvermittlung

Im Loungebereich: Vorne ist ein gestrickter Lampenschirms des Strick- und Häkelkränzchens zu sehen, hinten ein Poster, das auf magdas Markterei verweist. (cc) dieKulturvermittlung

Ein Blick in eines der Hotelzimmer: Vorne links ist eine ehemalige Gepäcksauflage der ÖBB zu sehen, die jetzt als Kleiderständer dient. Im Schlafzimmer dahinter sind wieder gestrickte Lampenschirme und ein Kunstwerk eines Studierenden der Akademie der Bildende Künste Wien zu finden. (cc) dieKulturvermittlung
Anna: Wer sind die TouristInnen, die in magdas Hotel buchen?
Ariane: Unsere Gäste sind bunt gemischt. Von Schulklassen bis zu Bankdirektoren aus der Schweiz. Der Auftrag an die ArchitektInnen von AllesWirdGut ein Hotel zu gestalten, in dem sich jeder wohl fühlt, ist in dieser Hinsicht geglückt.
Anna: Wie finanziert sich das Hotel?
Ariane: magdas Hotel ist ein Social Business und finanziert sich selbst. Wir hatten lediglich einen Anfangskredit von 1,5 Mio Euro für den Umbau, sehr wenig für ein solches Hotelprojekt. Die Zimmerpreise liegen zwischen 60 und 70 Euro.
Anna: Und wie bekommt man eigentlich als Mensch mit Fluchthintergrund einen Job bei euch?
Ariane: Unsere offenen Stellen werden hauptsächlich über das AMS und das Stellenportal der Caritas ausgeschrieben. Das Aussortieren ist in unserem Fall sehr schwierig, da wir nicht nach den Aspekten gehen, die bei einem normalen Bewerbungsprozess berücksichtigt werden. Etwa welche Berufserfahrung die KandidatInnen mitbringen. Wie bereits erwähnt, gibt es bei uns Angestellte, die davor noch nie im Tourismus tätig waren. Für uns sind die Aspekte, wie gut sie integriert sind, wie lange sie auf den Asylstatus gewartet haben und ihr soziales Umfeld sowie ihre Netzwerke viel relevanter. Auch da man die persönlichen Geschichten hinter den Menschen kennt, ist eine Selektion besonders schwierig.
Anna: Wie schaut das Geschlechterverhältnis bei euch aus?
Ariane: Von den 31 MitarbeiterInnen, wovon 20 einen Fluchthintergrund haben, sind derzeit definitiv mehr Männer als Frauen in magdas Hotel beschäftigt. Davon sind aber die Führungspositionen ausgenommen, die hauptsächlich von Frauen besetzt werden. Dass es in Österreich mehr Männer mit Fluchthintergrund gibt, ist eine Tatsache.
Anna: Aus welchen Ländern kommen die MitarbeiterInnen?
Ariane: Insgesamt arbeiten Menschen aus 16 verschiedenen Ländern in magdas Hotel, u.a. aus Afghanistan, Guinea – Bissau, Irak, Nigeria, Indien, Mali. Wir sprechen in Summe mehr als 25 Sprachen!
Anna: Was läuft im Arbeitsalltag gut?
Ariane: Wir sind alle sehr motiviert und das spüren unsere Gäste auch. In anderen Tourismusbetrieben ist oft das Gegenteil der Fall. Auch herrscht bei uns ein gutes Zusammenspiel.
Anna: Und welche Konflikte treten auf?
Ariane: Fehlende Sprachkenntnisse führen oft zu Missverständnissen. Ein Wort falsch gewählt und schon kommt es zu einem Konflikt.
Anna: Arbeiten alle MitarbeiterInnen, die seit Anfang an dabei sind, noch in magdas Hotel?
Ariane: Nein, es sind nicht mehr alle MitarbeiterInnen mit dabei, dafür natürlich wieder neu KollegInnen. Ein Job in der Hotellerie ist nicht für alle das Richtige.
Anna: Was kann ich von magdas Hotel lernen?
Ariane: Du kannst von uns lernen, dass ein Zusammenspiel von unterschiedlichen Kulturen funktionieren kann, auch bei einem riesigen Projekt wie einem Hotel. Es hat funktioniert, da alle die gleiche Vision hatten und alle beweisen wollten, dass es möglich ist. Da kann das Team noch so multikulturell sein.
Anna: Ich kann also von euch lernen, dass in eurem Fall Motivation und der Wille, etwas gemeinsam mit einem Team umzusetzen wichtiger als Erfahrung ist.
Ariane: Ja. Gegenseitige Unterstützung und Wissensweitergabe der MitarbeiterInnen ist sehr wichtig. Außerdem heißt es nicht, dass Abläufe die man woanders gelernt hat, unbedingt die besten sein müssen. Es geht darum auch zu hinterfragen, was ich davor anders gemacht habe und was jetzt besser oder schlechter funktioniert.
Anna: Was hast du bis jetzt in deiner Tätigkeit gelernt?
Ariane: Geduldig zu sein und mir die Geschichten hinter den Menschen anzuhören. Weil dann erfährt man, warum jemand wie arbeitet und wie man mit jemanden umgehen soll. Jeder Mensch, egal welche Funktion er ausübt, ist individuell.
Anna: Was würdest du anderen raten, die ähnliche Hotelprojekte oder ähnliche Social Businesses planen?
Ariane: Vernetzen, die Annahme von Ressourcen und der gegenseitige Austausch zwischen Social Businesses ist ganz wichtig.
Anna: Hat sich etwas bei euch verändert, seit ihr Teil einer Kunstausstellung seid?
Ariane: Unsere Gäste sind sehr kunstinteressiert. Sie finden es spannend, dass ein Hotel Teil einer Ausstellung ist.
Anna: Was gehört noch gesagt?
Ariane: Das Team ist für uns das wichtigste. Deshalb befindet sich im Eingangsbereich von allen Angestellten ein Foto, das die Wertschätzung zeigen soll.
(Anna, dieKulturvermittlung, 18.08.2015)
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Ariane Gollia ist Sales Managerin in magdas Hotel, das im Februar 2015 aufgesperrt hat, und ist seit Anfang an dabei. Sie hat Tourismus und Freizeitwirtschaft am MCI in Innsbruck sowie Betriebswirtschaft in Salzburg und Istanbul studiert. Beruflich hat sie in unterschiedlichen Ländern und Betrieben Erfahrung gesammelt.
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Die Ausstellung 2051: Smart Life in the City findet im Rahmen der Vienna Biennale des MAK statt und wurde vom MAK und der Wirtschaftsagentur Wien, Kreativzentrum departure organisiert. Sie läuft noch bis zum 4. Oktober 2015.
Neben dem Hotel sind folgende visionäre Projekte in Wien zu finden:
und der Freiraum.
Kuratoren der Ausstellung 2051: Smart Life in the City:
- Harald Gründl (Co-Partner, EOOS; Institutsvorstand, IDRV – Institute of Design Research Vienna)
- Thomas Geisler (Kustode MAK – Sammlung Design)
KuratorInnen der Vienna Biennale:
- Pedro Gadanho (Kurator für zeitgenössische Architektur am Museum of Modern Art, New York)
- Harald Gründl (Co-Partner, EOOS; Institutsvorstand, IDRV – Institute of Design Research Vienna)
- Maria Lind (Direktorin, Tensta Konsthall, Stockholm)
- Peter Weibel (Vorstand, ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe; Ordentlicher Professor, Universität für angewandte Kunst Wien)
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Anna und Adrien von dieKulturvermittlung machen beim #openschoool-Experiment mit. Deshalb wird dieser Artikel auf dieKulturvermittlung und im Blog der #openschoool veröffentlicht.
Toll!!