Über den Beruf des Tanzproduzenten – Ein Aufschrei

„Kennst du einen guten Produktionsmanager in der zeitgenössischen Tanzszene?“
Eine oft gestellte Frage, die viel über die gegenwärtigen Bedürfnisse aussagt. Die Suche nach einer Person, die sich um die Organisation und Administration, die sich um die Geldakquise für und Abrechnung von Tanzproduktionen kümmert, gestaltet sich als schwierig. Woran liegt das? An den prekären Arbeitsbedingungen, innerhalb der sich ProduktionsmanagerInnen in der freien zeitgenössischen Tanzszene befinden? Liegt es daran, dass es kaum Aus- und Weiterbildungsangebote für TanzproduzentInnen gibt? Oder liegt es daran, dass dem Beruf innerhalb der Tanzszene zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird?

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Fragen, mit denen sich tanzmobil productions beschäftigt. tanzmobil productions ist ein Zusammenschluss zweier freiberuflich arbeitenden Tanzproduzentinnen, Mira Lina Simon und Sarah Blumenfeld, mit Sitz in Berlin und Wien. Mira und Sarah arbeiten seit über drei Jahren im Milieu des zeitgenössischen Tanzes und beschlossen im September 2014, nicht weiter nur über Probleme und Schwierigkeiten, die ihnen als Berufseinsteigerinnen in diesem Feld begegneten, zu diskutieren, sondern aktiv zu werden und den Dingen auf den Grund zu gehen. Das Projekt tanzmobil – ein Projekt zur Förderung von ProduktionsmanagerInnen im Tanz war geboren. Hieß es in anfänglichen Diskussionen erst noch, wir müssen etwas für NachwuchschoreographInnen tun, ihnen helfen, Presse für erste Produktionen zu erlangen, wurde schnell klar, dass es in diesem Bereich bereits diverse Unterstützungsmaßnahmen gibt: speziell ausgerichtete Förderungen, Residenzen, Stipendien, Preise… Doch was ist mit dem Nachwuchs, der diese ChoreographInnen auf ihrem Weg begleitet? Was ist mit zukünftigen ProduktionsmanagerInnen/TanzproduzentInnen? Was ist mit uns? Wie können wir unsere Situation verbessern, wie können wir fehlende Ausbildung kompensieren und von der Erfahrung etablierter TanzproduzentInnen lernen? Und, ist es nicht so, dass die Professionalisierung und Stärkung von TanzproduzentInnen infolgedessen ebenfalls eine Förderung von NachwuchschoreographInnen bedeutet?

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Sarah und Mira von tanzmobil productions (c) tanzmobil productions

Google doch mal: Tanzproduzent. Nichts? Produktionsleitung. Nichts? Produktionsmanager? Nichts. Das Ergebnis: Nichts. Es kann natürlich an Google und der wenig differenzierten Sucheingabe liegen, doch auch bei weiterführenden Recherchen stellte sich heraus: das Angebot an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für TanzproduzentInnen ist gering. Zwar gibt es Studiengänge wie Kultur- und Theatermanagement, doch bereiten die Inhalte wirklich auf die Praxis eines Produktionsmanagers im zeitgenössischen Tanz vor? Sind die Inhalte für einzelne Branchen der Darstellenden Künste spezialisiert genug? Transferleistungen sind natürlich möglich! Doch können Transferleistungen die Herausforderungen in der Praxis bewältigen? Wir haben im Studium gelernt, wie man sich Wissen aneignet, wie man Literaturrecherche betreibt. Doch wenn man am Ende eines langen Rechercheprozesses mit ein, zwei Büchern in der Hand stehen bleibt, die wenig Einblicke in die Praxis der Organisation einer Tanzproduktion ermöglichen, dann steht man immer noch mit leeren Händen dort, die danach streben, mit anzupacken. Doch wo?

Im Rahmen des Projektes tanzmobil führt tanzmobil productions Interviews mit TanzproduzentInnen und ChoreographInnen in Europa durch. Die Interviews thematisieren den Beruf des Produktionsmanagers, umreißen das Berufsprofil, machen auf Problematiken aufmerksam und hinterfragen kritisch heutige Produktionsbedingungen. In ihnen werden Fragen gestellt wie: Verlangt die künstlerische Praxis nach einem Produktionsmanager? Wie lässt sich die Beziehung zwischen TanzproduzentIn und KünstlerIn beschreiben? Inwieweit greift das bestehende Fördersystem in die künstlerische Praxis ein und welche Verantwortung trägt es dadurch? Welche alternativen Förderungsmodelle kann es geben?

Die Interviews ermöglichen ebenfalls einen direkten Einblick in die spezifische Produktionsarbeit der lokalen Tanzszenen. Sie werden auf der Website www.tanzmobil.eu veröffentlicht, um ein Wissen im Produktionsbereich von Tanz zu sammeln, festzuhalten und öffentlich zugänglich zu machen. Eine Art Online-Archiv. Es geht darum, ein Verzeichnis zu schaffen, ein Handbuch zu entwickeln, Wissen weiterzugeben, kurz: Es geht um die Schärfung und Professionalisierung des Berufes eines Tanzproduzenten.

Dies ist in gewisser Weise ein Hilfeschrei, ein Aufschrei. Wir akzeptieren keine prekären Arbeitsbedingungen, keine unbezahlten Praktika, (auch wenn das Praktikum Herzenssache ist), wir akzeptieren auch keine unbezahlten Praktika mit Aussicht auf einen 450 € Job, wir akzeptieren nicht länger Übersetzungen von Stückbeschreibungen für einen Kaffee. Wir sind der Ansicht, dass es längst überfällig ist, adäquate Arbeitsbedingungnen für freiberufliche TanzproduzentInnen zu schaffen, Produktionsbüros zu stärken sowie Aus- und Weiterbildungsangebote zu etablieren. Und wenn es jetzt heißt: Die Generation Y möchte an die Hand genommen werden, ja, dann ist das so! (Sarah Blumenfeld und Mira Lina Simon, dieKulturvermittlung, 04.09.2015)

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tanzmobil productions ist ein Zusammenschluss zweier freiberuflich arbeitenden Tanzproduzentinnen, Mira Lina Simon und Sarah Blumenfeld, mit Sitz in Berlin und Wien. Seit September 2014 führt tanzmobil productions das Projekt tanzmobil – ein Projekt zur Förderung von ProduktionsmanagerInnen im Tanz durch und ist seit April 2015 ein eingetragener gemeinnütziger Verein mit Sitz in Wien.

Sarah Blumenfeld und Mira Lina Simon haben Theaterwissenschaft mit Schwerpunkt Tanzwissenschaft in München, Wien, Paris und Nizza studiert.Seit drei Jahren arbeiten sie im Milieu des zeitgenössischen Tanzes und haben bereits bei verschiedenen Festivals mitgewirkt:
TanznachtBerlin (2012), TRANSFABRIK (2013) und Far° Festival des arts vivants Nyon (2013/14/15); sowie für verschiedene Choreograf_innen und Tanzcompagnien: Anna Konjetzky (2012), Antonia Baehr (2012/13), Eszter Salamon (2012/13), Sasha Waltz & Guests (2013/14), Laurent Chétouane (2012/13/14), Alix Eynaudi (2014/15), Nadaproductions (2014/15), tobias draeger & Co (2015), Ian Kaler (2015) gearbeitet.

Ihr wollt Mira und Sarah unterstützen? Bis zum 7.9. läuft ihre Crowdfunding-Kampagne, um dem Projekt den ersten Schwung zu verleihen.



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