Kunstkanal
Der Kunstkanal in der Ulrichgasse 1, 1020 Wien demonstriert während der Ausstellung 2051: Smart Life in the City, wie die Fabrik der Zukunft ausschauen könnte. Anna hat den Kunstkanal aufgesucht, um vom Künstler Thomas Schneider mehr darüber zu erfahren und beim Sandalenworkshop der Schuhmacherin Stefanie Kerschbaumer zuzuschauen.
Anna: Du arbeitest vor allem bei NANK – neue Arbeit neue Kultur, aber jetzt bist du auch im Kunstkanal tätig. Wie kommt es dazu und was ist überhaupt der Kunstkanal?
Thomas: Im Kunstkanal bin ich nicht ständig, sondern immer wieder. Durch die Künstlerin Nora Dibowski, mit der ich schon öfter zusammengearbeitet habe, bin ich dazu gekommen. Sie ist Mitbegründerin des Kunstkanals und dort mit ihrem Label DKIA vertreten. Der Kunstkanal ist ein Verein, der transdisziplinäre Künste und Technologien fördert. Er beherbergt temporäre Flächen für etwa Ausstellungen, aber auch permanente Räume für Kreative. Für das Fabriksprojekt arbeite ich – neben Stefanie und Nora – mit Felix Zabel und Heini Staudinger zusammen.
Anna: Das heißt, du arbeitest projektbasiert im Kunstkanal. Und jetzt gerade bist du wieder hier, weil euer Projekt hier während der Ausstellung 2051: Smart Life in the City vertreten ist.
Thomas: Genau, das Projekt ist im Kunstkanal stationiert. Der Demonstrator Fabrik beschäftigt sich mit der Frage, wie in Zukunft gearbeitet wird und wie die Fabriken und Werkstätten der Zukunft ausschauen könnten. Da ist der Kunstkanal mit seiner einzigartigen Mischung aus Handwerk und Hightech hochgradig spannend. Hier werden sowohl Körbe geflochten als auch Roboter gebaut. Teilweise werden im Kunstkanal bereits Technologien eingesetzt, die noch nicht einmal in der Industrie verwendet werden. Das Schuhprojekt spiegelt diese Mischung ebenfalls wieder. Neben Handwerk wird für die Schuhproduktion auch ein 3D-Drucker eingesetzt. Stefanie bringt das handwerkliche Wissen mit und ich das Know-how in Bezug auf den 3D-Drucker. Wir versuchen Lösungen zu finden, wie man die zwei Dinge ideal miteinander verbinden kann.

Im Hintergrund tüftelt Stefanie Kerschbaumer mit ihren Workshopteilnehmerinnen über die perfekten Sandalen. Im Vordergrund sieht man den 3D-Drucker, mit dem die Sohlen der Sandalen anschließend ausgedruckt werden. (cc) dieKulturvermittlung
Anna: Hört sich so an, als wäre für dich die Kombination von Handwerk und Hightech in Fabriken eine Wunschvorstellung. Wie stellst du dir sonst noch die ideale Fabrik vor?
Thomas: Die ideale Fabrik nimmt Faktoren wie nachhaltiges Material, faire Entlohnung, gute Arbeitsbedingungen und Mehrwert für KundInnen ernst. Momentan werden chinesische Schuhe in Äthiopien oder Bosnien zu Hungerlöhnen produziert. Das ist ein krasses Gegenbild zu einer fairen lokalen Wirtschaft. Außerdem wird in idealen Fabriken mit Open Source, Open Production und Open Processes gearbeitet.
Anna: Welche Workshops wurden neben dem Schuhmachen im Laufe des Projekts im Kunstkanal angeboten?
Thomas: Unter anderem konnte man Korbflechten, Schweißen und Radbau aus Bambus lernen.
Anna: Wirst du auch nach der Ausstellung hier im Kunstkanal anzutreffen sein?
Thomas: Nicht gleich danach, aber bestimmt wieder einmal. In welchem Rahmen das sein wird, wird sich erst weisen. Als Anlaufstation für Know-how Fragen werde ich den Kunstkanal sicher nützen. Es geht darum, Dinge dezentraler zu sehen. Dezentralisierung ist Teil der Open Production und ist nicht an ein Haus gebunden.
Anna: Was kann ich von eurem Projekt lernen?
Thomas: Dass man durchs Selbermachen viel lernen kann. Es ist ein extrem zufriedenstellender Prozess, weil man Produkte und Tätigkeiten besser verstehen lernt und weil man erlebt, was andere bereits probiert haben und was andere an Wissen weitergeben. Man sieht dabei, wie sich Wissen vergrößert und man lernt, dem Apparat der menschlichen Wissensvermehrung zu vertrauen. Diese Open Source Strategie der Wissensvermittlung ist eine sehr mächtige im Verhältnis zu der geschlossenen Form mit Patentrechten.
Anna: Was hast du von eurem Projekt gelernt?
Thomas: Unglaublich viel. Was ich in diesen vier Monaten plus Vorbereitungszeit alles gelernt habe, war noch nie so intensiv. Eine Kumulation von Wissen, wie ich es noch nie in meinem Leben hatte. Bei der Geschichte mit dem Schuh sind plötzlich mehrere Anforderungen an mich gestellt worden: recherchieren, herausfinden und tun. Das ist auf jeden Fall schöner als Anträge auf dem Computer zu schreiben.

Bevor die Sohle Teil des Schuhs wird, werden die Voll- bzw. Teilsohlen getestet. (cc) dieKulturvermittlung
Anna: Hast du Ratschläge an alle, die ähnliche Fabriken planen?
Thomas: Besonders viele Ratschläge möchte nicht geben, da ich weiß, dass es ganz unterschiedliche Ansätze gibt.
Anna: Was hat sich im Kunstkanal verändert, seitdem er Teil einer Kunstausstellung ist?
Thomas: Durch die Zusammenarbeit mit Externen sind neue Dynamiken und neue Kooperationen entstanden. (Anna, dieKulturvermittlung, 02.10.2015)
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Thomas Schneider ist Künstler und Vorstandsmitglied von NANK – neue Arbeit neue Kultur. Über das Filmemachen ist er auf das Thema Arbeit gestoßen. Seit er bei einem Vortrag in Graz Frithjof Bergmann kennengelernt hat, unterstützt er Bergmanns Ansatz zum Wandel der Lohnarbeit.
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Die Ausstellung 2051: Smart Life in the City findet im Rahmen der Vienna Biennale des MAK statt und wurde vom MAK und der Wirtschaftsagentur Wien, Kreativzentrum departure organisiert. Sie läuft noch bis zum 4. Oktober 2015.
Neben der Fabrik sind folgende visionäre Projekte in Wien zu finden:
und der Freiraum.
Kuratoren der Ausstellung 2051: Smart Life in the City:
- Harald Gründl (Co-Partner, EOOS; Institutsvorstand, IDRV – Institute of Design Research Vienna)
- Thomas Geisler (Kustode MAK – Sammlung Design)
KuratorInnen der Vienna Biennale:
- Pedro Gadanho (Kurator für zeitgenössische Architektur am Museum of Modern Art, New York)
- Harald Gründl (Co-Partner, EOOS; Institutsvorstand, IDRV – Institute of Design Research Vienna)
- Maria Lind (Direktorin, Tensta Konsthall, Stockholm)
- Peter Weibel (Vorstand, ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe; Ordentlicher Professor, Universität für angewandte Kunst Wien)
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Anna und Adrien von dieKulturvermittlung machen beim #openschoool-Experiment mit. Deshalb wird dieser Artikel auf dieKulturvermittlung und im Blog der #openschoool veröffentlicht.
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