Wenn sich eine Sprache der kulturellen Vielfalt widersetzt

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Um ein internationales Publikum zu erreichen, verwendet man heute üblicherweise die englische Sprache. Gründe dafür sind, dass Englisch leicht zu lernen ist, in vielen Schulen dieser Welt als erste Fremdsprache unterrichtet wird, in akademischen Kreisen etabliert ist… Auf natürliche Art und Weise wurde Englisch zur universellen Sprache ernannt und die, welche die Sprache nicht sprechen können, müssen sie für eine glückliche Kommunikation ohne Grenzen lernen. Einfach wunderbar. Ist es das?

Die Situation ist problematisch. Zunächst sprechen nicht alle Englisch und du kannst nicht von jeder Person verlangen, es zu sprechen. Ein wesentliches Problem ist aber, dass Sprache ein kultureller Hauptvektor ist. Sie ist tief in einer Kultur verwurzelt: beliebte Schriftsteller, Lebensart, Ansprüche und Ideologien, eine politische Orientierung… Wenn wir Englisch zur universellen Sprache weihen, bringen wir nicht nur die Kommunikation auf einen gemeinsamen Nenner, sondern verbreiten auch eine spezielle Ideologie auf Kosten anderer.

Wollen wir wirklich, dass alle – sogar in Österreich – auf Englisch miteinander sprechen und sich die US-amerikanische von der österreichischen Kultur nur auf der Speisekarte eines Restaurants unterscheidet? US-amerikanisch? Tatsache ist, dass wenn wir über die englische Sprache sprechen, wir uns häufig auf das US-amerikanische und nicht auf das britische Englisch beziehen. Auf die gleiche Weise sagen wir „Amerika“ und „Amerikaner“ anstatt „USA“ und „US-Amerikaner“. Beispiele in diese Richtung sind reichlich vorhanden, zum Beispiel glaubt die Mehrheit der Leute, welche Englisch nicht als Muttersprache hat, dass Organisation falsch und Organization richtig ist.

Es ist faszinierend, wie oft ein Wort auf Englisch statt auf (österreichischem) Deutsch verwendet wird. Schau genau hin, wenn du das nächste Mal eine Werbung siehst oder ein Lehrbuch (speziell für Betriebswirtschaft) liest. Es gibt ein paar Personen in Österreich, die nicht Unternehmensführung, aber Entrepreneurship studieren und solche, welche die Führung von Vielfalt unterrichten, benennen ihren Unterricht Diversity Management.  Aber am meisten schockiert war ich, als ich in Lille, Frankreich war. Ich habe dort den Campus besucht und gesehen, dass das Hauptgebäude im Zentrum des Campus, welches für eine lange Zeit Bibliothèque Universitaire (Universitätsbibliothek) hieß, umgebaut wurde und in Learning Center umbenannt wurde. Ich erinnere mich, dass in meinen Studienjahren „BU“ ein sehr oft verwendetes Akronym war. Nun wird es für alle Studierenden dort „LC“ heißen.

So was ist das jetzt? Ein bösartiger Text gegen die anglophone Welt und die USA? Versteht mich nicht falsch. Das ist lediglich ein Hinweis auf eine sehr problematische Situation, egal von welcher Sprache oder von welchem Land wir sprechen. Wichtig ist, die Kulturen der Welt zu schützen. Ich meine damit nicht, dass wir sie isolieren sollten – lasst sie gemeinsam bestehen und sich entwickeln, lasst sie sich vermischen! Aber nicht, wie es heute geschieht… Was wir gerade sehen, ist nicht weniger als eine kulturelle Kolonialisierung. Wir müssen praktische Lösungen finden.

Eine Lösung wurde im Gastfreundschaftsnetzwerk BeWelcome umgesetzt. BenutzerInnen können ihre Sprachpräferenzen definieren und ihre Nachrichten in mehreren Sprachen schreiben. Wenn du eine Seite von dieser Website besuchst, werden die Nachrichten – wenn verfügbar – in deiner bevorzugten Sprache angezeigt, ansonsten wird das, was übrig bleibt, verwendet. Eine gute Initiative, das ist sicher. Ich würde mir wünschen, so etwas öfter bei unseren Kommunikationsmitteln zu sehen.

Ich hoffe, dass dich dieser Artikel zum Nachdenken bringt, wenn du das nächste Mal einen Ausdruck auf Englisch statt auf (österreichischem) Deutsch hörst oder verwendest. (Adrien übers. von Anna, dieKulturvermittlung, 12.10.2015)



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